Ansprache von Papst Franziskus
anlässlich der Audienz der Teilnehmer des Spitzengesprächs zwischen Kirchen und öffentlich-rechtlichem Rundfunk am 4. April 2019 im Vatikan
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mir eine Freude, Ihre Delegation der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland und der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland zu begrüßen. Ich danke Herrn Kardinal Reinhard Marx für die Worte, die er auch im Namen von Herrn Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm an mich gerichtet hat.
Ihr Treffen ist Ausdruck des lebendigen Dialogs zwischen den Kirchen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen in Deutschland. Gespräch schafft Verständnis und öffnet Horizonte; das Zusammenkommen bildet den Raum für einen freien und offenen Austausch von Informationen, Meinungen und Analysen. Das kommt den Menschen in Ihrem Land zugute. Ich ermutige Sie in Ihrem Einsatz, dafür zu sorgen, dass es Fakten statt Fake News, Objektivität statt Gerücht, Differenzierung statt oberflächlicher Schlagzeile gibt.
Seit einiger Zeit erleben wir in der Welt eine besorgniserregende Entwicklung: Anfechtung des Rechtes auf Leben, Vormarsch der Euthanasie, Verneinung der sozialen Gleichheit, mangelnde Integration, Verstoß gegen die Menschenwürde und gegen die Gewissensfreiheit. Die öffentlich-rechtlichen Medien haben hier die verantwortungsvolle Aufgabe, für das hohe Gut der menschlichen Freiheit und Würde entschieden Stellung zu beziehen. Und die Kirchen unterstützen Sie bei diesem Dienst, da ihnen die Sendung Christi aufgetragen ist, der zu den Menschen gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben" (Joh 10,10).
Ich danke Ihnen allen für Ihre Arbeit. Sie haben als Journalisten die Menschen im Blick und wollen dazu beitragen, dass ihr Leben lebenswert ist und bleibt. Ich hoffe, bei Ihrem Dienst fehlt nie das Gute, fehlen nie die vielen guten Botschaften, über die es zu berichten lohnt und die Hoffnung schenken. Möge der Herr Ihr Tun mit seinem Segen begleiten. Und, bitte, vergessen Sie nicht, für mich zu beten.
Im Februar 2013 haben wir zum ersten Mal zu Top of the Docs nach Berlin eingeladen – um mit Dokumentarfilmern ins Gespräch zu kommen, um die dokumentarischen Highlights der ARD zu präsentieren und auch um die Gewinner des damals neugeschaffenen ARD-Doku-Wettbewerbs bekannt zu geben und zu würdigen. Damals hob die ARD-Jury ein Projekt besonders hervor und versprach, dass sich die ARD bemühen würde, das eingereichte Exposé zu realisieren. Die Doku-Redakteure von NDR, RBB, SWR und WDR taten sich zusammen und so kamen „Die Unsichtbaren“ zunächst in die Kinos – weltweit und mit großem Erfolg. Bei uns avancierte das ausgezeichnete Doku-Drama schnell zum bestbesuchten Dokumentarfilm des Jahres 2017. Am 16. Januar 2019 zeigen wir den Film bei uns im Ersten, um 20:15 Uhr. Die Autoren Claus Räfle und Alejandra López schildern in bewegenden Bildern ein weitgehend unbekanntes Kapitel des jüdischen Widerstands während des Nationalsozialismus: Junge Berliner Juden, die im Nazi-Berlin unerkannt und unentdeckt überlebten. 7000 waren es insgesamt, die untergetaucht waren. 1500 haben überlebt.
Solch eindringliche wie aufwühlende Geschichten finden bei uns im Ersten immer ihren exponierten Sendeplatz: Es gehört zu unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag, es ist uns Verpflichtung wie Ansporn, unserem Publikum Geschichte nahezubringen. Auch wenn wir aus der Geschichte meist nichts lernen, sind es die Parallelen zu unserer heutigen Welt, die zum Nachdenken auffordern, die erschrecken und die Augen öffnen.
In diesem Jahr zeigen wir im Ersten etwa den 90-minütige Dokumentarfilm „Die Irrfahrt der St. Louis“. 1939 verließen 937 jüdische Flüchtlinge voller Zuversicht mit einem Visum für Kuba auf diesem Schiff den Hamburger Hafen. Doch Havanna verweigert die Einreise, danach auch die USA und Kanada. Nach einer fast einmonatigen Irrfahrt lief die St. Louis in Antwerpen ein. Fast ein Drittel der Passagiere wurde in den folgenden Jahren von den Nazis ermordet. Der Film „Operation Mondlandung – Ex-Nazis im Dienst der NASA“ dokumentiert die Verstrickungen deutscher NASA-Mitarbeiter mit dem Dritten Reich. Sie wurden 1945 in einer Geheimoperation in die USA geholt, um sich deren Wissensvorsprung in der Raketentechnik zu sichern.
Und natürlich geht es in diesem Jahr auch um die jüngere deutsche Geschichte: Wir erinnern in Filmen und Reportagen an den Fall der Mauer vor 30 Jahren. Wir begleiten das größte Justizverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik – die juristische Aufarbeitung der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg im Juli 2010. In „Wildes Herz“, dem Langfilm-Debüt des renommierten Schauspielers Charly Hübner geht es um Jan „Monchi“ Gorkow, den Frontmann der Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“, der Haltung zeigt und wütend engagiert gegen Ungerechtigkeit, Intoleranz und Ausgrenzung singt.
Und wir vergeben wieder den ARD-Doku-Preis, mittlerweile zum siebten Mal. Unter den 63 Einreichungen entscheidet die Jury bei der diesjährigen Top-of-the-Docs-Veranstaltung über den Gewinner, dem ein Preisgeld winkt und ein Sendeplatz im Ersten sicher ist. Der diesjährige Wettbewerb hat erstmals auf eine konkrete Themenvorgabe verzichtet. Gesucht wurden innovative Filmprojekte, die ein politisch und gesellschaftlich relevantes Thema aufgreifen, einen klaren Bezug zu Deutschland haben und auch internationale Relevanz besitzen. Freuen Sie sich mit mir auf diese und andere herausragende Dokumentationen im Ersten.